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Richard Tuttle

Richard Tuttle (*1941) ist mit sensiblen und ephemeren Kleinobjekten berühmt geworden. Eigens für das Projekt Sammlung entwickelte er überraschend grosse Werke aus Stoff, Holz, Metall, Stein und Draht, die sich auf das gesamte Gebäude und den Aussenbereich des Kunsthauses beziehen. Die künstlerischen Interventionen entstanden zwischen 1996 und 1999 unter dem Titel Replace the Abstract Picture Plane.

Mit dem Titel Replace the Abstract Picture Plane unterstreicht der Künstler sein bildtheoretisches Konzept, die Objekte als Alternativen zum flächigen, abstrakten Bild zu sehen. Die Werke setzte er zusammen mit dem Kunsthausteam und lokalen Handwerkern um. Die vier sehr unterschiedlichen Skulpturen Replace the Abstract Picture Plane I (1996), Replace the Abstract Picture Plane II (1997), Replace the Abstract Picture Plane III (1998) und Replace the Abstract Picture Plane IV (1999) befinden sich alle in der Kunsthaus-Sammlung, Replace the Abstract Picture Plane II (1997) ist permanent im Kunsthaus-Garten zu sehen. Ebenso in der Sammlung vertreten sind die Modelle, Entwürfe, Künstlerbücher und Künstlerplakate sowie der umfassende Foto-Essay von Guido Baselgia, der Tuttle während seiner mehrjährigen Arbeit am Projekt Sammlung mit der Kamera begleitet hat.

Das rund vierzig Meter lange Objekt Replace the Abstract Picture Plane I ist der Ausgangspunkt für Tuttles weitere grossen raumbezogenen Arbeiten, etwa 2014 für die Turbine Hall in der Tate Modern in London. Replace the Abstract Picture Plane IV besteht aus vierzig Bildobjekten, die in New Mexico entstanden und auf den Südtrakt des Kunsthaus bezogen sind.

Nach Zug kehrte Tuttle 2008 für die Ausstellung The Use of Time zurück. Zuletzt war er 2010/11 im Kunsthaus Zug an der Ausstellung Linea. Vom Umriss zur Aktion beteiligt.

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Richard Tuttle. Replace the Abstract Picture Plane

Projekt Sammlung (1)

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Richard Tuttle zählt seit den 60er-Jahren zu den bedeutendsten und eigenwilligsten Künstlern der USA. Er lebt in New Mexico und New York. Mit traumwandlerischer Sicherheit setzt sich Tuttle über jegliche künstlerische Konvention hinweg, um letztlich immer wieder überraschende poetische Gebilde aus verschiedensten Materialien hervorzaubern. Sie scheinen zuerst oft zufällig, unvollständig, schwach und chaotisch, entwickeln dann aber Präsenz und zeigen Präzision, Sensibilität, Geistigkeit und Offenheit. Es sind im Grunde geheimnisvolle, Humanität ausstrahlende Lebensmetaphern. Die sich stark wandelnde, ungewöhnliche kreative Arbeit Tuttles wird begleitet von kunsttheoretischen Reflexionen. Entsprechend stellte er sein erstes Projekt in Zug unter den Titel Replace the Abstract Picture Plane. Er zeigte eine eigens für das Kunsthaus konzipierte, grosse und für ihn neuartige Installation. Sie führte durch vier Räume und über drei Stockwerke.

Richard Tuttle. Replace the Abstract Picture Plane, Works 1964–1996

Projekt Sammlung (2)

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In diesem Jahr entwickelte Richard Tuttle die Idee einer ungewöhnlichen Skulptur aus Metall und Marmor mit einer Höhe von vier Metern. Sie wurde im Aussenraum des Kunsthauses platziert, wo sie auch heute noch zu sehen ist. Das spezielle Werk steht, bei allen Gegensätzen, in Beziehung zu Tuttles erstem Werk im Rahmen von Projekt Sammlung, aber ebenso zu Skulpturen anderer Künstler:innen in Zug. Es ist wiederum sehr ortsspezifisch. Die Realisierung erfolgte in Zusammenarbeit Tuttles mit verschiedenen Handwerkern aus Zug und Umgebung.

Zugleich war im gesamten Innenbereich des Museums eine grosse Ausstellung Tuttles zu sehen, die einen Einblick in sein vielfältiges Oeuvre seit 1964 gab. Gezeigt wurden rund 100 Exponate (Zeichnungen, Objekte, Modelle) aus Schweizer Besitz. Tuttle selbst stellte die Auswahl zusammen und richtete die Schau ein. Sie war seine bis dahin umfassendste in der Schweiz. Einen besonderen Akzent bildeten hervorragende Objekte aus den 60er- und frühen 70er-Jahren sowie verschiedene Werkgruppen auf Papier.

Richard Tuttle. Replace the Abstract Picture Plane, Books & New Works

Projekt Sammlung (3)

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Wie schon in den Jahren zuvor zeigte der Amerikaner Richard Tuttle eine für das Kunsthaus eigens geschaffene, grosse Skulptur. Zudem richtete er eine Ausstellung seiner viel geschätzten Künstlerbücher ein, zeigte eine Gruppe neuster Werke und präsentierte, als weitere Besonderheit, die Sammlung Kamm mit Werken v.a. der Wiener Moderne (u.a. Klimt, Schiele, Kokoschka und Gerstl). Aus der Sicht eines eigenwilligen Künstlers waren die zahlreichen Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen, Möbel und Bücher räumlich ungewöhnlich zusammengestellt. Die bewusst unmuseale Inszenierung machte die bedeutsamen und kostbaren Werke besonders lebendig - sie war selbst ein Kunstwerk.

Richard Tuttle. Replace the Abstract Picture Plane (1996–1999)

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Wer die fragilen, meist kleinen und ephemeren Arbeiten Richard Tuttles kannte, wurde wohl vom Ergebnis seiner Zuger Tätigkeit verblüfft, wie sie in der vierten Präsentation vorgestellt wurde: eine Gruppe von vier grossen und höchst unterschiedlichen Werken. Erstmals bereitete er in seinen Beitrag in New Mexico vor. Replace the Abstract Picture Plane IV besteht aus nicht weniger als vierzig Teilen, deren asymmetrische Anordnung auf den beiden Stockwerken des Südtrakts in der Ausstellung von 1999/2000 dem spiralförmigen Verlauf der grünen “Schlange” von 1996 im Nordtrakt antwortete. Es wurde den Betrachter:innen gewissermassen aufgegeben, den vier bewusst miteinander kontrastierenden Werken weitere Bezüge abzugewinnen, im formal Divergierenden “verborgene” Zusammenhänge zu entdecken. Im Lauf der Jahre hatte Tuttle im Kunsthaus mehrere Ausstellungen realisiert und dabei dank Leihgaben aus privaten und öffentlichen Sammlungen einen Eindruck seines reichhaltigen Oeuvres vermittelt.

Richard Tuttle. The Use of Time

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Fast zehn Jahre nach dem Abschluss eines aussergewöhnlichen gemeinsamen Projektes kehrte Richard Tuttle mit der Ausstellung The Use of Time ins Kunsthaus Zug zurück. Im Rahmen von Projekt Sammlung schuf der amerikanische Künstler, dessen Oeuvre keine linearen Entwicklungen kennt, zwischen 1996 und 1999 für eine eindrückliche Ausstellungsreihe im Kunsthaus Zug vier markante, sehr unterschiedliche Werke: Replace the Abstract Picture Plane I – IV.

2008 wurden diese Arbeiten wieder integral präsentiert. Richard Tuttle stellte ihnen neu geschaffene eigene Arbeiten gegenüber, die ohne die lang andauernde Kooperation mit dem Kunsthaus Zug nie entstanden wären: einerseits eine monumentale, dreidimensionale Arbeit aus Metall und Polyester und andererseits eine stupende Werkgruppe aus farbigen Tüchern, die zusammen Replace the Abstract Picture Plane V bilden. Dazu zeigte Tuttle eine konzentrierte Auswahl von Fritz Wotruba aus der Stiftung Sammlung Kamm, die auf die permanent installierten skulpturalen Werke Wotrubas und Richard Tuttles im Aussenraum vor und hinter dem Kunsthaus Zug verwiesen. Die Ausstellung widerspiegelte damit unmittelbar den Modellcharakter von Projekt Sammlung, mit dem sich das Kunsthaus Zug in enger Zusammenarbeit mit Künstler:innen aus verschiedenen Ländern der Welt auf neues kuratorisches Terrain begibt. Sie hinterfragte die Schnelllebigkeit des heutigen Kunstbetriebes und warf Fragen nach dem Umgang mit der Ressource Zeit auf: “The Use of Time”.